Beim Klimaschutz von der Politik enttäuscht

Lippstädter Klimaaktivisten trafen sich zum Gespräch mit dem Bundestagsabgeordneten Hans-Jürgen Thies

Passender hätte der Rahmen für ein Gespräch zum Thema Klimaschutz nicht sein können: Im idyllischen Dorfgarten in Dedinghausen trafen sich jetzt zehn Lippstädter Klimaaktivisten aus den Gruppierungen Klimanetzwerk, Klimabündnis und Lippstadt for Future mit dem heimischen Bundestagsabgeordneten Hans-Jürgen Thies (CDU). Thies ist Mitglied des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz sowie Vertreter des Umweltausschusses. Die Klimaschützer hatten ihn um ein Gespräch gebeten, u.a. um ihm eine Petition mit 531 Unterschriften zu übergeben. Die Petition ruft die Bundestagsabgeordneten von CDU/CSU und SPD auf, beim Klimaschutz keine Zeit mehr zu verlieren und sich für echte 1,5-Grad-Politik stark zu machen. „Denn nur so kann Deutschland das Pariser Klimaabkommen einhalten und bis 2035 klimaneutral werden, wie es laut Wissenschaft nötig und dringend ist“, so Klimanetzwerk-Sprecherin Anke Victor.

Im Gespräch mit dem Abgeordneten zeigten sich die Klimaschützer gut vorbereitet: Zur Sprache kamen Fragen des Ausbaus der Erneuerbaren, der Elektromobilität, der solaren Baupflicht, der Problematik, weitere Windräder in NRW zu platzieren und einiges mehr. Von Thies kam zu Beginn der Diskussion ein klares Bekenntnis: „Es geht gar nicht anders, wir müssen auf die Wissen­schaft hören und deren Empfehlungen folgen“. Eine Folgebemerkung aus dem Kreis der Anwesen­den machte das Dilemma deutlich: „Warum handelt die Regierung dann nicht so?“ Hier antwortete Thies ausweichend: So hatte u.a. die Klimaunion sich zwar kürzlich in einem Bericht zur 1,5 Grad-Politik bekannt, jedoch sei sie eine Gruppierung innerhalb der CDU, die keine parteipolitische Ziele vorgebe. Allerdings müssen wir von der CDU im Wahlkampf ein glaubhaftes Angebot machen.“ Auf Nachfragen, wie man die positiven Ziele der Klimaunion umsetzen könne, ob denn z.B. eine sola­re Baupflicht eingeführt werden könne, gab sich Thies skeptisch. „Bei Neubauten mit mehr als drei Wohneinheiten könnte ich mir das vorstellen – grundsätzlich nicht.“ Im weiteren Gespräch gelang es den Klimaaktivisten nicht, dem Politiker konkretere Stellungnahmen zu entlocken.

Im digitalen Vorgespräch Anfang Mai hatte Thies u.a. die Klimaunion als ihm wenig bekannt bezeichnet und in einem Nebensatz erklärt: „Wir möchten nicht, dass die Bundesrepublik ponyhofisi­ert wird.“ Aus dem Kreis kam nun die Frage, wie denn das gemeint gewesen sei und ob er damit die Bemühungen der Klimainitiativen bagatelli­sieren wolle. „Nein, das liegt mir fern.“ Die Meinung vertrete er nicht und den Eindruck habe er auch nicht erzeugen wollen. „Viel­mehr wollen wir der Deindustrialisie­rung Deutschlands kei­nen Vor­schub leisten.“

Ein anwesender Elektroingeni­eur führte mit der Fra­ge nach ausreichender Strom­versorgung in ein neues Thema über. „Um die Ener­gieversorgung zukünftig zu sichern, bedürfe es einer Versiebenfachung des Anteils an erneuerbaren Ener­gien. Wie die CDU das schaffen wolle? Thies: „Das werden wir nicht errei­chen! Wir müssen mehr Tempo machen.“ Es entwickelte sich eine kontroverse Diskussion. Dabei konnten die Aktivisten mit fundiertem Wissen aufwarten, während der Politiker häufiger zugeben musste, sein Wissen nachbessern zu müssen. Beispielsweise an folgendem Punkt: Auf sein Argument, dass Leitungskapazität fehle, wenn alle Autos gleichzeitig per Schnellladung geladen werden, konterte Klimanetzwerk-Mitglied Frederik Schwede pointiert mit detailliertem Faktenwissen. Die Aktivisten kritisierten auch die restrik­tive Politik in Bezug auf Windräder. Die Abstandsvergrößerung zur Wohnbebauung habe dazu geführt, dass z.B. in Lippstadt kein Windrad gebaut werden könne. Auch anderorts im Kreise Soest werde es kritisch, seit 2018 seien keine Windräder mehr genehmigt worden.

In diesem Zusammenhang wurde von Seiten der Klimaschützer auch bemängelt, dass im Bereich der erneuerbaren Energie bis zu 120.000 Jobs verloren gegangen seien. „Das wäre in der Automobilindustrie undenkbar.“ Darauf ging der Politiker nicht ein, konstatierte jedoch, dass neben Vorbehalten in der Bevölkerung („Windräder sind gut, aber nicht vor meiner Haustür“) auch objektive Probleme den Ausbau bremsten. Er wies auf Flächenversiegelung, Probleme beim Natur- und Vogelschutz und administrative Hemmnisse hin.

„Herr Thies, die CDU regiert nun seit 16 Jahren. Was wollen Sie jetzt anders machen?“ Hier antwortete der Unionspolitiker: „Wir müssen die Genehmigungsverfahren schneller machen und im Planungsrecht an allen Stellen überprüfen, welche Relevanz für den Klimaschutz vorliegt. Die Politik muss bei Gesetzes­vorhaben ehrlicher sein und Folgen aufzeigen.“ Lippstadt for Future-Aktivistin Alina Morchel erklärte, die derzeitige Klimapolitik mache sie hilflos und wütend: „Ich fühle mich von der Politik im Stich gelassen.“ Thies ging darauf ein und argumentierte, dass Deutschland sich getraut habe, aus der Kernenergie auszusteigen und betonte, dass man beispielgebend sein wolle. Auch den Ausstieg aus der Kohlever­stromung nannte er hier als Beispiel. „Nur wenn Deutschland den Klimawandel schafft ohne einen Wohlstandsverlust hinzunehmen, können wir ein Vorbild sein.“

Resümierend fasste Diskussionsteilnehmerin Dorle Mühlhoff zusammen: „Herr Thies hat uns glaubwürdig vermittelt, dass er die Klimakrise als ein sehr zentrales und extrem wichtiges Thema ansieht. Allerdings konnte er uns bei den Antworten auf unsere Fragen nach konkreten Maßnahmen nicht überzeugen“, so die engagierte Klimaschützerin. „Er zählte überwiegend Probleme aus der Realpolitik auf, statt bei den Maßnahmen und deren Timing konkret zu werden. Insgesamt aber war er ein angenehmer und sympathischer Gesprächspartner, der mit uns auf Augenhöhe diskutiert hat“.

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